Holen Sie noch morgens Ihre Zeitung aus dem Briefkasten? Lesen Sie noch Bücher? Schauen Sie noch fern? Oder gehen Sie lieber ins Kino? Vieles geschieht selbstverständlich und oftmals steckt viel mehr dahinter: Menschen lesen Bücher auf dem E-Reader, laden sich amerikanische Serien aus dem Internet und nutzen Comics als Erklärungshilfe.
Dieser Paradigmenwechsel lässt die klassische Einteilung verschiedener Medien – Print, TV, Radio – in sich zusammenfallen. Die alten Definitionen verschwimmen an den Rändern; völlig neue Formate entstehen, die in keine der althergebrachten Kategorien mehr passen.
Medien leben von Aufmerksamkeit. Die Beachtung, die ihre Nutzer ihnen schenken, ist ihr täglich Brot. Es sind die Verschiebungen in der Aufmerksamkeit der Nutzer, die wir in den Mittelpunkt dieser Studie stellen wollen. Der Anspruch ist es, dabei nicht linear-quantitativ vorzugehen, sondern qualitativ und differenziert. Denn die Aufmerksamkeit der Mediennutzer wird nicht „weniger”, sondern „anders”. Diese Veränderung soll diese Studie beschreiben.
Diffusions- und Fokusmedien
Anstelle übergeordnete Sammelbegriffe zu benutzen, sind die Autoren so „kleinteilig” wie möglich vorgegangen und haben die Analyse der einzelnen Medien einer zentralen Fragestellung untergeordnet: Wie wird sich die Nutzung der Medien verändern?
Anstatt die Nutzer in „Zielgruppen” einzuteilen und nach starren demographischen Merkmalen in Schubladen zu pressen, soll die Nutzung der Medien beobachtet werden, und zwar bezogen auf die Situation, in der die Mediennutzung stattfindet. Dieser mikro-situative Ansatz analysiert also nicht die allgemeinen kommunikativen Bedürfnisse der Medien-Nutzer, sondern ihre konkreten Erwartungen in dem Moment, in dem sie das Medium anschalten/aufschlagen/betreten.
Von dieser Perspektive aus ließen sich zwei große Entwicklungen beobachten:
- Aufmerksamkeits-Diffusion
Nutzer erwarten Zerstreuung. Sie lassen die Inhalte auf sich zukommen, wollen im Alltag ein mediales Hintergrundrauschen erzeugen. Medien, die das Bedürfnis befriedigen, sich auf diese Art und Weise „berieseln” zu lassen, sind Diffusionsmedien. Von einer kategorischen sozialen Zielgruppen-Zuordnung der Aufmerksamkeits-Diffusion soll dabei bewusst Abstand genommen werden: Diffusionsmedien sind keine „Unterschichten”-Medien. - Die Rückkehr der Konzentration
Im allgemeinen Overload und der Omnipräsenz medialer Gleichzeitigkeit entsteht ein neues Bedürfnis danach, sich endlich mal wieder ganz in Ruhe auf etwas konzentrieren zu können. Nutzer dieser Fokusmedien wissen schon ungefähr, was sie erwartet, und sind bereit, Zeit und Geld in diese Medienerfahrung zu investieren. In dieser Situation ist es ihr Ziel, voll und ganz in die Medienwelt „hineingesaugt” zu werden und den Alltag vollständig hinter sich zu lassen. Das Event als Medium eignet sich besonders dafür.